Corona: Warnende Worte aus Südtirol

Wenn Christian Paller, Vertriebsleiter des Schlegel-Handelspartners Interel Trading, aus dem Fenster schaut, schweift sein Blick über die schöne Südtiroler Landschaft. Die Sonne scheint, blauer Himmel. Idylle pur. Doch der Eindruck täuscht. Auch in Südtirol sind die Folgen der Corona-Krise deutlich zu spüren. Im wirtschaftlichen Sektor sind dunkelgraue Gewitterwolken aufgezogen, viele Menschen haben Angst –Angst um den Job, aber auch Angst am Virus zu erkranken.

Tourismus auf 0 gestellt

Normalerweise tummeln sich bereits einige Touristen um diese Zeit in Südtirol. Und der Landstrich bereitet sich sonst auf die Osterurlauber vor. Doch dieses Jahr ist alles anders. „Der Tourismus ist auf 0 gefahren", sagt Christian Paller. Hotels zu, Restaurants zu. Das trifft auch die ganzen Zuliefererunternehmen der Tourismusbrache. „Ich weiß nicht, was alles noch auf uns zukommt, auf Italien zukommt. Wirtschaftlich wird Italien noch ein Riesenproblem bekommen", glaubt der Vertriebsleiter.

Manche Firmen in Südtirol haben sich bereits umorientiert, versuchen sich in einem neuen Zweig zu etablieren. So nähen zum Beispiel Textilfirmen, die sonst Hotels beliefern, inzwischen Schutzmasken oder Schutzkleidung. Denn beides ist in Italien, wie auch sonst auf der Welt, Mangelware.

Alle Betriebe zu

Auch in seinem Unternehmen der Interel Trading, das auch Produkte des Dürmentinger Unternehmens Schlegel vertreibt, sind die Folgen der Corona-Pandemie zu spüren. „Wir erleben einen deutlichen Rückgang bei den Auftragseingängen", sagt Paller. Aber auch organisatorisch wurde einiges umgekrempelt. „Wer kann arbeitet von Zuhause", erläutert er. Zudem wurde frühzeitig die Mitarbeiterschaft aufgeteilt, so wenige wie möglich sollten in der Firma anwesend sein.

Doch seit Mittwoch, 25. März, sind die Regeln nochmals verschärft worden: Alle Betriebe, die nicht in der Lieferkette für unentbehrliche Produkte sind, müssen ihre Firmengebäude schließen. Das bedeutet derzeit für Interel Trading: Wer kann, arbeitet im Homeoffice. Es werden Bestellungen angenommen, die Kunden werden per Telefon, E-Mail oder Skype betreut, aber „wir können keine mehr Waren ausliefern". Diese Maßnahme gilt bis einschließlich 3. April.

Auf dem Land einfacher

Auch Christian Paller ist nun Zuhause. Er arbeitet, er geht einkaufen und schnappt frische Luft bei einem Spaziergang. Das ist noch erlaubt bis maximal 200 Meter vom Wohnhaus entfernt. „Wir sind in einer ländlichen Gegend", erzählt er. Das macht vieles einfacher. Ihm geht es derzeit gut, auch in seinem engeren Umfeld sind alle gesund.

Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr – gerade angesichts der erschreckenden Nachrichten und Bilder aus den am stärksten betroffenen Gebieten Italiens, wie die Lombardei mit den beiden Hotspots Mailand und Bergamo. Die Ärzte und Pfleger arbeiten rund um die Uhr. Dennoch sind dort sind schon Hunderte von Menschen gestorben. Die meisten von ihnen deutlich über 70 Jahre alt. Aber auch viele Jüngere erkranken ernsthaft an Covid-19 und benötigen einen Beatmungsplatz. Nur sind ihre Chancen Covid-19 zu überleben, deutlich besser.

Enttäuscht von Europa

Von daher unterstützt der Südtiroler die rigiden Maßnahmen der Regierung mit Ausgangssperre und Versammlungsverbot. Wer in den Straßen unterwegs ist, braucht gute Gründe dafür und muss eine Eigenerklärung ausfüllen. Erlaubt sind der Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen, in die Apotheke oder auch zum Notariat. Die Regeln werden von der Polizei kontrolliert. Wer sich nicht daran hält, bekommt „strafrechtliche Probleme", so Paller. Und die Strafen sind üppig.

Eine Woche ist Italien im Schnitt in der Corona-Entwicklung anderen Ländern Europas voraus. Christian Paller und viele seiner Landsleute verstehen nicht, warum sich Europa nicht viel früher an der Lage in Italien orientiert hat, schneller gelernt und früher vergleichbare Maßnahmen eingeleitet hat. Und viele Italiener fühlen sich von Europa in dieser Krise im Stich gelassen. „Europa hat uns nicht gerade unterstützt, ich hätte mir mehr erwartet".

Eindringlicher Aufruf

„Jeder Tag, der nicht im Kampf gegen den Virus genutzt wird, ist ein verlorener Tag", sagt der Südtiroler. Seine Botschaft ist deshalb klar, eindringlich sein Aufruf: „Bleibt Zuhause. Haltet euch an die Regeln!", sagt Christian Paller. Dann lässt er nochmals seinen Blick schweifen über die weitgehend menschenleere Gegend, bevor er sich im Homeoffice wieder auf die Arbeit konzentriert.

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