Von der Pflege an die CNC-Maschine

DÜRMENTINGEN – Als 18-Jährige verließ Maria Ivorciuc Rumänien, um in Österreich und Deutschland alte Menschen zu pflegen. Zehn Jahre später steht sie in grauer Latzhose in einer Werkhalle und fräst Metallteile – als Auszubildende für Zerspanungsmechanik im Dürmentinger Unternehmen Georg Schlegel. Ein krasser Wechsel – den sie nicht bereut.

Wer die 29-jährige Frau sieht, wird sie schwerlich in der Welt der Metallteile und des Werkzeugbaus verorten. 1,57 Meter groß, zierlich, entspricht sie nicht dem Bild eines Azubis im technischen Bereich. Aber Klischees haben sie noch nie interessiert. Als junge Frau hatte sie Interesse an einer Karriere in der Armee, die ihr allerdings verwehrt wurde. Dann die Hinwendung zur Pflege. Die junge Mutter wollte damals eine Perspektive für sich und ihr Kind. „Die Pflege war der einzige Weg", sagt sie.

Über eine Agentur kam sie zunächst nach Österreich und später nach Deutschland, wo sie sich rund um die Uhr um ihre Patienten kümmerte. Die Arbeit hat sie gerne gemacht. Sie hat versucht, jeden Patienten so zu behandeln, dass es für diesen passt, dass sie diesem gerecht wird. Dafür hat sie viel Dankbarkeit erfahren, „das tat gut".

Aber die Kehrseite waren die Arbeitszeiten. 3 Monate beim Patienten, dann 3 Monate zu Hause. Die 3 Monate weg von der Familie, vom Kind, das „tat sehr weh". Und in der Pflege war sie rund um die Uhr für ihre Patienten da. Zwar hatte sie offiziell Mittagspause, aber wenn der Patient dement war, musste sie trotzdem präsent sein: „Immer 24 Stunden, das war extrem belastend." Einen Austausch mit anderen Menschen gab es wenig, sie war meist allein mit der Pflegeperson.

Dennoch: Sie zieht viel Positives aus der Pflegearbeit. „Ich habe viele besondere Menschen in der Altenpflege kennengelernt; Menschen, die mich ermutigt haben." Die Arbeit hat ihr Sicherheit gegeben. Aus einer eher zurückhaltenden jungen Frau ist eine selbstbewusste Persönlichkeit geworden. Mehrfach hat sie Grenzen überwunden: Ländergrenzen, Sprachgrenzen, berufliche Grenzen. „Man muss offen sein für Veränderungen", sagt sie – und Durchhaltevermögen beweisen.

Nachdem ihr Mann und ihre Tochter nach Deutschland nachgekommen waren, hat Maria Ivorciuc beruflich eine 180-Gradwendung vollzogen: vom Sozialbereich in die Werkhalle, vom klassischen Frauenberuf in einen klassischen Männerjob. Zunächst hat sie bei Schlegel Gehäuse verkabelt und an der Drehmaschine gearbeitet. Aber das war nur ein Zwischenschritt, ihr Ziel blieb es, eine technische Ausbildung zu absolvieren. „Wenn man etwas wirklich will, kann man es auch lernen", macht sie anderen Mut.

Wieder Neuland betreten
Seit 2019 macht sie nun eine Ausbildung zur Zerspanungsmechanikerin bei Schlegel. Auch damit hat sie Neuland betreten: Denn diese Ausbildung hat bis dato noch niemand bei uns absolviert. Als Zerspanungsmechanikerin fertigt sie Werkstücke aus Metall. Hierfür arbeitet sie in der Regel mit CNC-Dreh-, Fräs- und Schleifmaschinen, die sie programmieren muss. Für den Job sind räumliches Vorstellungsvermögen, genaues Arbeiten und Feingefühl notwendig. Und man darf keine Angst vor komplexen Geräten haben. Die hat Maria Ivorciuc definitiv nicht: „Ich habe Interesse an Maschinen. Ich habe Spaß an dem, was ich mache." Dass es in der Halle auch mal laut sein kann, dass sie schmutzig werden kann? Macht ihr nichts.

So selbstverständlich wie sie sich früher um ihre betagten Patienten gekümmert hat, so selbstverständlich bewegt sie sich nun in der Werkhalle zwischen Frästeilen und Werkstücken. Sie hat Blutdruckmessgerät, Binden und Medikamente mit Hammer, Feile und CNC-Maschinen getauscht. Die technische Welt ist nun die ihre.

In Pflegeberufen sind vornehmlich Frauen tätig, im Metallbereich mehrheitlich Männer. Das ist auch bei Schlegel nicht anders, wo derzeit drei Frauen im Werkzeugbau arbeiten. Doch Maria Ivorciuc schreckt dies nicht, sie arbeitet auch gerne mit Männern zusammen. „Das ist manchmal etwas unkomplizierter", sagt sie.

Dankbar für die Chance
Vom Sozialbereich an die CNC-Maschine: Diesen Schritt hat sie nicht bereut. Sie hat ihren Platz gefunden. Sie genießt, dass sie am Ende des Tages sehen kann, was sie gearbeitet hat, dass sie ein Werkstück in Händen hält. Sie genießt die Arbeit mit den Kollegen und sie genießt die familienfreundlichen Arbeitszeiten. Sie ist dankbar für die Möglichkeit, die sie beim Dürmentinger Unternehmen erhalten hat und für die Wertschätzung und Hilfe, die sie bislang von Kollegen und Chefs erfahren hat. „Mir wurde hier eine neue Chance gegeben", sagt sie – und sie hat diese genutzt.

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